Tyler Hamilton (* 1. März 1971 in Marblehead, Massachusetts) ist ein ehemaliger US-amerikanischer Profi-Radrennfahrer. Er machte sich einen Namen als Edelhelfer von Lance Armstrong bei der Tour de France. Von 1999 bis 2001 half er ihm bei dessen ersten drei – im Nachhinein aberkannten – Tour-de-France-Erfolgen. 2003 errang er mit dem Sieg beim Klassiker Lüttich–Bastogne–Lüttich seinen größten individuellen Erfolg.
Hamilton war als Skifahrer für die Universität in Boulder aktiv, bis er sich 1991 zwei Wirbel brach. Nach der Rehabilitation widmete er sich dem Radsport.[1]
2002 wechselte Hamilton für zwei Jahre zum dänischen Team CSC, das von dem ehemaligen Tour-Gewinner Bjarne Riis geleitet wurde. Hier entwickelte er sich zu einem Klassement-Fahrer, der bei den großen Etappenrennen sehr erfolgreich war. So wurde er trotz eines angerissenen Schulterblatts Zweiter beim Giro d’Italia 2002.
Im Jahr darauf gewann er zunächst die Tour de Romandie, um dann bei der Tour de France 2003 sein Meisterstück abzuliefern und für Aufsehen zu sorgen: Bei einem Massensturz auf der ersten Etappe zog sich Hamilton erneut einen Haarriss zu, diesmal am Schlüsselbein, und gewann trotzdem nicht nur die 16. Etappe, sondern wurde sogar Vierter im Gesamtklassement.
Aufgrund dieser starken Leistung wurde die Verletzung zunächst angezweifelt.[2] Allerdings zeigte hierauf sein Teamchef Bjarne Riis Pressefotografen Röntgenbilder, welche die entsprechende Verletzung belegen sollten.[3]
2004 wechselte Hamilton zum Schweizer Team Phonak Cycling Team. Er galt als einer der Favoriten für die Tour de France 2004, nachdem er in der Vorbereitung erneut die Tour de Romandie gewonnen und die Dauphiné Libéré als Zweiter hinter Iban Mayo und vor Lance Armstrong abgeschlossen hatte. Da er während der ersten Etappen der Tour de France 2004 in einem Massensturz erneut Rückenblessuren erlitt,[4] musste er diese Rundfahrt frühzeitig aufgeben.
Bei den Olympischen Sommerspielen 2004 in Athen errang Hamilton die Goldmedaille im Einzelzeitfahren. Nach diesem Sieg wurde er positiv auf Blutdoping mit Fremdblut getestet, jedoch konnte die B-Probe aufgrund fehlerhafter Lagerung nicht gegengeprüft werden. So durfte er seine Goldmedaille behalten. Die Klage des zweitplatzierten Russen Wjatscheslaw Jekimow wurde Ende Juni 2006 aus formalen Gründen vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) abgewiesen. „Die Klage hätte nur durch das IOC oder den Weltverband UCI eingereicht werden dürfen, hieß es in der CAS-Begründung.“[5] Hamilton behielt zunächst seine Goldmedaille.
Einige Wochen später wurde Tyler Hamilton nach seinem Sieg bei der achten Etappe der Vuelta a España 2004 (Einzelzeitfahren) am 11. September erneut positiv auf Fremdblutdoping getestet. Er selbst stritt dies ab und äußerte Zweifel an der angewendeten neuen Testmethode.[6] Aufgrund des Dopingverdachts kündigte sein damaliges Team Phonak.
Am 19. April 2005 wurde Hamilton aufgrund dieses Dopingbefundes von der United States Anti-Doping Agency (USADA) für 24 Monate gesperrt. Hamiltons Einspruch gegen diese Entscheidung vor dem Internationalen Sportgerichtshof wurde zurückgewiesen. Nach Angaben der New York Times behauptete Hamilton, „Das Blut stamme jedoch nicht von einer fremden Person, sondern von einem so genannten vanishing twin“, einem ‚verschwundenen Zwilling‘. Dieser Zwilling sei in einem frühen prenatalen Stadium gestorben und dessen Blutzellen seien vom Tyler Hamilton resorbiert worden. In Hamiltons Körper hätten diese Zellen Blut produziert, das nicht zu Hamilton gepasst hätte.[7] Später gestand Hamilton, dass dies nichts weiter als „eine besonders dreiste Lüge“ gewesen sei.[8] Nach Ablauf der Dopingsperre wollte Hamilton wieder Radrennen fahren. Geplant war seine Teilnahme bei den Straßen-Weltmeisterschaften in Salzburg im September 2006, jedoch wurde er nicht vom US-Radsportverband nominiert.
Im August 2006 wurden Aufzeichnungen von ihm bei dem spanischen Arzt Eufemiano Fuentes gefunden, die belegen, dass er bereits vor dem Olympiasieg Wachstumshormone, Testosteron, das Blutdopingmittel EPO und Insulin einnahm. Die Kopenhagener Zeitung „Politiken“ berichtete unter Berufung auf die spanischen Unterlagen, dass aus Hamiltons „Doping-Tagebuch“ hervorgehe, dass der US-Profi an 114 von etwa 200 Tagen der Saison 2003 gedopt hatte. In dem Zeitungsbericht hieß es, die in dem Tagebuch aufgeführten Doping-Aktivitäten seien so umfassend, dass ein ganzes Team von Helfern beteiligt gewesen sein müsse. Den Unterlagen soll auch eine Rechnung von Fuentes über 54.060 Dollar beiliegen, die Hamiltons Gattin Haven Parchinski für Doping-Präparate bezahlt haben soll.[5]
2007 unterschrieb Hamilton einen Vertrag beim Team Tinkoff Credit Systems, wurde aber Ende April 2007 wieder suspendiert. Von der Saison 2008 bis April 2009 fuhr er für das Team Rock Racing. Mitte Juli konnte er seinen ersten Erfolg für dieses Team feiern: er gewann eine Etappe der Tour of Qinghai Lake. Darüber hinaus entschied er auch die Gesamtwertung der Rundfahrt für sich. Im August konnte er mit dem Sieg bei der amerikanischen Straßenmeisterschaft einen noch größeren Erfolg verbuchen.
Im April 2009 wurde er erneut des Dopings überführt und für acht Jahre gesperrt. Daraufhin erklärte er seine aktive Karriere für beendet.[9]
Im Mai 2011 gestand er in einem amerikanischen TV-Interview langjähriges Doping. Dabei äußerte er auch schwere Doping-Anschuldigungen gegen Lance Armstrong. Armstrong habe bei der Tour de France 1999, 2000 und 2001 das Blutdopingmittel EPO verwendet. „Ich sah EPO in seinem Kühlschrank. Ich sah mehr als einmal, wie er es sich gespritzt hat“, erklärte Hamilton. Im Zuge seiner Beichte gab er auch seine 2004 im Olympischen Zeitfahren gewonnene Goldmedaille zurück (siehe Liste der aberkannten olympischen Medaillen).[10]
Die Beschuldigungen gegen Armstrong und sein Team wiederholte er in seinem Buch The Secret Race: Inside the Hidden World of the Tour de France: Doping, Cover-ups, and Winning at All Costs.[11] Hamilton war einer der Kronzeugen gegen Armstrong im Dopingverfahren der USADA.[12][13] Er belastete auch Bjarne Riis, der in den Jahren 2002 und 2003 sein Teammanager beim Team CSC war. Riis habe ihn mit dem mittlerweile durch den Dopingskandal Fuentes bekannt gewordenen spanischen Mediziner Eufemiano Fuentes zusammengebracht und von dessen Dopingprogramm gewusst.[14]
Im August 2012 beschloss das Internationale Olympische Komitee (IOC), Tyler Hamilton den Olympiasieg im Zeitfahren von Athen 2004 offiziell abzuerkennen,[15] nachdem Hamilton als Kronzeuge in den Dopingermittlungen gegen Lance Armstrong selbst Doping gestand und gegenüber dem IOC erklärte, dass er seine Goldmedaille zurückgeben wolle.[16][17]
1996
1999
2000
2002
2003
2004
2008
Grand Tour | 1997 | 1998 | 1999 | 2000 | 2001 | 2002 | 2003 | 2004 |
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![]() | – | – | – | – | – | 2 | – | – |
![]() | 69 | 51 | 13 | 25 | 95 | 15 | 4 | DNF |
![]() | – | – | – | – | – | – | – | DNF |
1892, 1893, 1894 Léon Houa | 1895–1907 nicht ausgetragen | 1908 André Trousselier | 1909 Victor Fastre | 1911 Joseph Vandaele | 1912 Omer Verschoore | 1913 Maurice Moritz | 1915–1918 nicht ausgetragen | 1919 Léon Devos | 1920 Léon Scieur | 1921, 1922 Louis Mottiat | 1923, 1924 René Vermandel | 1925 Georges Ronsse | 1926 Dieudonné Smets | 1927 Maurice Raes | 1928 Ernest Mottard | 1929, 1931, 1935 Alfons Schepers | 1930 Hermann Buse | 1932 Marcel Houvoux | 1933 François Gardier | 1934 Theo Herckenrath | 1936 Albert Beckaert | 1937 Eloi Meulenberg | 1938 Alphons Deloor | 1939 Albert Ritserveldt | 1940–1942 nicht ausgetragen | 1943, 1947 Richard Depoorter | 1944 nicht ausgetragen | 1945 Jan Engels | 1946, 1950 Prosper Depredomme | 1948 Maurice Mollin | 1949 Camille Danguillaume | 1951, 1952 Ferdy Kübler | 1953 Alois De Hertog | 1954 Marcel Ernzer | 1955 Stan Ockers | 1956, 1958, 1959 Fred De Bruyne | 1957 Germain Derycke | 1960 Ab Geldermans | 1961 Rik Van Looy | 1962 Jef Planckaert | 1963 Frans Melckenbeeck | 1964 Willy Bocklant | 1965 Carmine Preziosi | 1966 Jacques Anquetil | 1967 Walter Godefroot | 1968 Valère Van Sweevelt | 1969, 1971, 1972, 1973, 1975 Eddy Merckx | 1970 Roger De Vlaeminck | 1974 Georges Pintens | 1976, 1978 Joseph Bruyère | 1977, 1980 Bernard Hinault | 1979 Dietrich Thurau | 1981 Josef Fuchs | 1982 Silvano Contini | 1983 Steven Rooks | 1984, 1989 Sean Kelly | 1985, 1986, 1987, 1991 Moreno Argentin | 1988 Adrie van der Poel | 1990 Eric Van Lancker | 1992 Dirk De Wolf | 1993 Rolf Sørensen | 1994 Jewgeni Bersin | 1995 Mauro Gianetti | 1996 Pascal Richard | 1997, 1998 Michele Bartoli | 1999 Frank Vandenbroucke | 2000, 2002 Paolo Bettini | 2001 Oscar Camenzind | 2003 Tyler Hamilton | 2004 Davide Rebellin | 2005, 2010 Alexander Winokurow | 2006, 2008, 2015, 2017 Alejandro Valverde | 2007 Danilo Di Luca | 2009 Andy Schleck | 2011 Philippe Gilbert | 2012 Maxim Iglinski | 2013 Daniel Martin | 2014 Simon Gerrans | 2016 Wout Poels | 2018 Bob Jungels | 2019 Jakob Fuglsang | 2020 Primož Roglič | 2021 Tadej Pogačar
1937 Charles Bergna | 1965 Michael Beckwith Hiltner | 1966 Bob Tetzlaff | 1967 nicht ausgetragen 1968 John Howard Springfield | 1985 Eric Heiden | 1986 Thomas Prehn | 1987 Tom Schuler | 1988 Ron Kiefel | 1989 Greg Oravetz | 1990 Kurt Stockton | 1991 Davis Phinney | 1992, 1997 Bart Bowen | 1993 Lance Armstrong | 1994 Steve Hegg | 1995 Norman Alvis | 1996 Eddy Gragus | 1998, 2006, 2009 George Hincapie | 1999 Marty Jemison | 2000, 2001, 2004, 2013 Fred Rodriguez | 2002 Chann McRae | 2003 Mark McCormack | 2005 Chris Wherry | 2007 Levi Leipheimer | 2008 Tyler Hamilton | 2010 Ben King | 2011, 2015 Matthew Busche | 2012 Timothy Duggan | 2014 Eric Marcotte | 2016 Gregory Daniel | 2017 Lawrence Warbasse | 2018 Jonathan Brown | 2019 Alex Howes | 2021 Joey Rosskopf | 2022 Kyle Murphy
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Personendaten | |
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NAME | Hamilton, Tyler |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanischer Radrennfahrer |
GEBURTSDATUM | 1. März 1971 |
GEBURTSORT | Marblehead, Massachusetts, Vereinigte Staaten |